Kreativität

Die Beziehung zwischen Schlaf und Kreativität ist ein Thema, das viele Spekulationen hervorruft. Viele Künstler schreiben ihr kreatives Genie Träumen oder Schlaflosigkeit zu. Auch der umgangssprachliche Ausdruck "eine Nacht drüber schlafen", um vor einer schwierigen Entscheidung nachzudenken, ist weit verbreitet. Doch was sagt die Wissenschaft dazu?

Wissenschaftler haben objektive Tests entwickelt, um die Kreativität des Menschen zu messen, insbesondere die Fähigkeit, abstrakte Zusammenhänge herzustellen und komplexe Probleme kreativ zu lösen. In diesem Artikel erfährst du, ob es tatsächlich einen realen Zusammenhang zwischen Schlaf und Kreativität gibt, wie der REM-Schlaf die Kreativität beeinflusst und welche Maßnahmen du ergreifen kannst, um deinen Schlaf zu optimieren und dadurch deine Kreativität zu fördern.

Das kreative Gehirn im Schlaf

Im Jahr 2010 führten einige europäische Wissenschaftler Tests zum Lernen und zur Hirnaktivität im Schlaf durch. Sie fanden Belege für die Annahme, dass die rechte Seite des Gehirns, die für Kreativität verantwortlich ist, nach dem Schlafen besser genutzt werden kann.

Die Festigung von Informationen im Gedächtnis erfolgt morgens vor dem Wachwerden. Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass der Prozess zur Festigung des Gedächtnisses für diese verbesserte Nutzung verantwortlich ist. Der Prozess läuft während der Tiefschlaf-Phase, im wenig ereignisreichen Teil, ab. Diese Verarbeitung und Synthese neuer Informationen kann zu einer erhöhten Kreativität nach dem Aufwachen führen.

Laut einer Studie haben verschiedene kreative Typen unterschiedliche Schlafmuster. Visuell Kreative haben öfter einen gestörten Schlaf und dadurch eine geringere Tagesleistung, während verbal Kreative länger schlafen aber dafür später einschlafen und auch später aufwachen.

Schlaflosigkeit und Kreativität

Einige Künstler behaupten, dass sie während schafloser Nächte besonders kreativ und schöpferisch aktiv werden. Dies könnte daran liegen, dass sie mehr Zeit zur Verfügung haben als ihre ausreichend schlafenden Kollegen. Es könnte auch daran liegen, dass Schlaflosigkeit eine allgemeine Unruhe im Kopf verursacht, die eine kreative Person mit gestalterischer Produktivität lindert. Eine Studie aus dem Jahr 2013 ergab, dass nächtliche Schlaflosigkeit positiv mit kreativem Denken und Produktivität korrelierte. In einer weiteren Studie zeigten kreative Kinder ein erhöhtes Maß an Schlafstörungen.

Während einige positive Zusammenhänge zwischen Schlaflosigkeit und Kreativität gefunden wurden, konnten keine Studien definitiv beweisen, dass Schlaflose von Natur aus kreativer sind. Darüber hinaus beeinträchtigt Schlafentzug im Allgemeinen die geistige Leistungsfähigkeit und Hirnfunktionen höherer Ordnung. Es wird davon ausgegangen, dass eine Person die langfristig zu wenig Schlaf bekommt, weder kreativ noch produktiv Leistung erbringen kann.

Was ist das Fazit von Schlaflosigkeit und Kreativität? Gelegentliche Schlaflosigkeit scheint einigen Menschen dabei zu helfen, gestalterische Werke zu produzieren. Langfristige Schlaflosigkeit und der damit verbundene Schlafmangel wirken sich fast immer negativ auf Körper und Geist aus, worunter am Ende auch die Kreativität leidet.

REM-Schlaf und Kreativität

Viele Menschen berichten, dass sie unmittelbar nach dem Erwachen am effektivsten Arbeiten können. Was ist das Besondere am frühen Morgen? Die Wissenschaft glaubt, dass der REM-Schlaf der Schlüssel ist, besonders angesichts der Tatsache, dass die meisten Menschen ihre längste REM-Schlafphase kurz vor dem Aufwachen haben.

Während des REM-Schlafes (Rapid Eye Movement) weisen Gehirnströme ähnliche Aktivität wie während des Wachzustandes auf. Die Augen bewegen sich schnell unter den geschlossenen Augenlidern hin und her. Dies ist die Phase, in der intensive Träume entstehen.

REM-Schlaf hilft bei der abstrakten Problemlösung

Eine Studie der Harvard Medical School berichtete, dass Probanden 30% mehr Anagramm-Wort-Rätsel lösten, wenn sie nach dem Aufwachen aus dem REM-Schlaf getestet wurden als nach dem Erwachen aus Nicht-REM-Schlaf. Neuere Untersuchungen, die 2012 veröffentlicht wurden, zeigten ebenfalls, dass Schlaf besonders gut ist, um Menschen bei der Lösung komplexer Probleme zu unterstützen.

REM und Kreativität (BILD)
Quelle: Universität von Kalifornien Berkeley Zentrum für menschliche Schlafwissenschaft

REM-Schlaf fördert die Kreativität

Wissenschaftler konnten bestätigen, dass REM-Schlaf Menschen im Allgemeinen dabei hilft, kreativer zu sein.

An der University of California in San Diego verwendeten Forscher ein Protokoll namens Remote Associates Test (RAT), um den Anstieg der Kreativität zu quantifizieren. Sie teilten die Probanden in drei Gruppen ein. Eine Gruppe durfte ruhen, aber nicht schlafen, eine andere durchlief Nicht-REM-Schlaf , indem sie vor der REM-Phase geweckt wurden. Die dritte Gruppe durfte das REM-Stadium erreichen. Die ersten beiden Gruppen zeigten keinen Anstieg in Kreativität, gemessen im RAT, während die kürzlich aus dem REM-Schlaf erwachten Personen erhöhte kreative Problemlösung aufwiesen.

Macht REM kreativer? (BILD)
Quelle: Tagungsband der National Academy of Sciences

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Teilnehmer bei einem Kreativitätstest nach dem REM-Schlaf 40 % besser abschnitten. Der REM-Schlaf scheint stärker als jede andere Schlafphase positive Auswirkungen auf die Fähigkeit kreativer Problemlösung zu haben. Der intuitive Ratschlag "eine Nacht darüber zu Schlafen" ist wissenschaftlicher definitiv sinnvoll.

Träume für Kreativität nutzen

Menschen, die kreativ-gestalterischen Tätigkeiten nachgehen - von Gartenarbeit bis zu bildender Kunst - berichten immer wieder, dass sie ihre Träume nutzen, um ihren kreativen Prozess zu unterstützen:

  • Samuel Taylor Coleridge soll das Gedicht Kubla Khan geschrieben haben, nachdem er aus einem opiuminduzierten Traum erwacht war.
  • Salvador Dali verband surreale Gemälde mit Träumen.
  • Paul McCartney behauptet, dass die Melodie für den Song Yesterday in einem Traum zu ihm stieß.
  • Mary Shelley behauptete, dass ein Wachtraum ihr die Inspiration für Frankenstein gab.

In mancher Hinsicht spiegeln Träume den kreativen Prozess, indem sie Verbindungen zwischen scheinbar getrennten Sachverhalten in interessanten Kombinationen erstellen. Einige Forscher behaupten, dass Träume ein Werkezeug sind, mit dem unser Unterbewusstsein komplexe Probleme und Informationen aus unserem Wachleben verarbeitet, erforscht und auflöst.

Hypnagogie

Hypnagogie beschreibt den traumhaften Zustand, den wir zwischen Schlaf und Aufwachen erleben. Sie dauert in der Regel nur wenige Minuten. Hypnagogie imitiert den REM-Schlaf in einem bewussten Zustand. Sowohl Alpha- als auch Theta-Hirnwellen, die normalerweise getrennt im Wach- bzw. Schlafzustand auftreten, treten während der Hypnagogie gleichzeitig auf, was zu diesem einzigartigen Zustand führt.

Viele bekannte Innovatoren wie Benjamin Franklin haben ihre Kreativität am frühen Morgen der Hypnagogie zugeschrieben, oder den Funken der Inspiration aus den Träumen, aus denen sie kurz zuvor erwacht waren.

Traumerinnerung und Kreativität

REM-Träume sind die erzählerischsten aller nächtlichen Produkte unseres Bewusstseins. Es handelt sich um die Träume, an die sich die Menschen beim Aufwachen am häufigsten erinnern. Sie können Futter und Inspiration für kreative Arbeiten liefern. Eine Schweizer Studie ergab, dass Menschen, die sich besser an Träume erinnern können, mit höherer Wahrscheinlichkeit kreativ tätig werden. Die Studie stellte auch fest, dass eine bessere Schlafqualität mit erhöhter Traumerinnerung korreliert.

Eine Studie aus dem Jahr 2016 fand einen positiven Zusammenhang zwischen der Beobachtung von Träumen und Kreativität. Die Forscher unterzogen die Teilnehmer dem "Torrance Test of Creative Thinking", um ihre Kreativität zu quantifizieren. Anschließend teilten sie die Probanden in zwei Gruppen auf.

Über den Zeitraum von knapp einem Monat wurden der Kontrollgruppe täglich Fragen gestellt, um ihnen zu helfen, sich an ein Ereignis vom Vortag zu erinnern, während der Versuchsgruppe Fragen gestellt wurden, um sich an ihre Träume aus der Nacht zuvor zu erinnern. Die Versuchsgruppe zeigte nach erneutem Versuch eine signifikante Verbesserung der kreativen Stärke in weiteren Tests.

Schlaftips für mehr Kreativität

Kannst du dich zu mehr Kreativität "schlafen"? Möglicherweise. Zapfe die rechte Seite deines Gehirns an und lasse deine Träume die Arbeit für dich erledigen.

1. "Eine Nacht drüber schlafen" funktioniert bei schwierigen Problemen

Wissenschaftler haben festgestellt, dass eine "Inkubationszeit" bei der Lösung schwieriger Probleme helfen kann, in der sich das Gehirn nicht unmittelbar auf das zu lösende Problem konzentriert. Wenn diese Periode eine gewisse Schlafzeit beinhaltet, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, Verbindungen zwischen allen verfügbaren Informationen und Fakten herzustellen.

Für viele schwierige Probleme kann die Lösung nach Phasen zwischen Fokus und Entspannung bzw. des Gedankenwanderns kommen. Diese mentale Wanderung ist wichtig, weil dein Verstand viele Wege geht, von denen die meisten unproduktiv sind, einige aber zu Erkenntnissen oder einer Lösung führen könnten. Das wache Gehirn, wenn es mit einem schwierigen Problem konfrontiert wird, kann zu fokussiert oder versperrt sein, um zu einer Lösung zu gelangen, die einen noch unbekannten Weg erfordert.

Bewusstes Erinnern an das zu lösenden Problem vor dem Schlafengehen kann dein Unterbewusstsein dazu bringen, während des Schlafes daran zu arbeiten. Eine Harvard-Studie von 1993 ergab, dass, als sie sich vor dem Schlafengehen eine Frage stellten, die Hälfte der Teilnehmer von dem Problem träumte und ein Viertel eine Lösung in ihren Träumen fand.

2. Achte auf deine Träume

Ob du ein Notizbuch am Bett aufbewahrst oder eine Smartphone-App verwendest, die Beobachtung und Rekonstruktion deiner Träume kann dabei helfen, Inspiration für alle Arten von kreativen Projekten zu finden.

Lucides Träumen ermöglicht es, Ideen während eines Traums zu erforschen und verschiedene Punkte auszuarbeiten. Es gibt Smartphone-Apps, die dir helfen, luzide Träume besser zu verstehen.

3. Lies etwas Inspirierendes vor dem Schlafengehen

Es kann Fiktion oder auch Sachbuch sein. Alles, was deinen Geist anregt und neue Informationen liefert, kann dich für kreatives Denken nach dem Aufwachen anstimmen. Dein Gehirn wird die Informationen während des Schlafes synthetisieren.

4. Finde eine Schlafroutine, die für dich geeignet ist

Es mag komisch klingen, aber Experten empfehlen, die kreativen Aktivitäten auf Zeiten zu legen, wenn du nicht am produktivsten bist. Kreatives Denken funktioniert leichter, wenn du müde bist, denn dein Gehirn ist anfälliger für Abschweifungen und wird durch die wandernden Gedanken abgelenkt, die viele Kreative als kritisch für den kreativen Prozess ansehen. Wenn du eine Morgenlerche bist, werde am Abend kreativ, und wenn du eine Nachteule bist morgens.

Bei Einschlafproblemen solltest du nicht länger als 15 Minuten im Bett liegen. Stehe auf und verlasse das Schlafzimmer. Es sollte ausschließlich für den Schlaf und Sex genutzt werden. Gehe in einen anderen Raum und tu etwas erholsam produktives wie z.B. das Schreiben oder Skizzieren in einem Notizbuch. Die kreative Aktivität wird dein Gehirn ermüden, ohne das Risiko, dass blaues Licht von einem Fernseher oder Computer dich wacher macht.

Obwohl es besser ist Schlafmangel nicht zu akkumulieren, kannst du versuchen 30 Minuten früher aufzustehen, um einen kreativen Boost zu bekommen. Du unterbrichst dein gewöhnlichen Schlafzyklus und fühlst dich vielleicht etwas schläfrig, bist aber auch kreativer.

5. Experimentiere mit Mittagsschlaf

Während Nickerchen nützlich sein können, um die mentale Leistung zu verbessern, ist die Art der mentalen Energie die nach einem Power-Nap gewonnen wird eher darauf ausgerichtet lineare Probleme zu lösen als neue Ideen und Konzepte zu entwickeln. Während eines kurzen Power-Naps befindet sich dein Gehirn im Leichtschlaf und nicht im kreativitätsfördernden REM-Schlaf.

Allerdings kannst du ein längeres Nickerchen einlegen, um deine Kreativität anzuregen. Eine Studie aus dem Jahr 2010 ergab, dass Tiefschlaf (der auch bei längeren Nickerchen erreicht werden kann) die Ideengenerierung in Bezug auf Volumen und Originalität verbessern kann.

6. Ermögliche dir Tagträume

Künstler sprechen oft von Inspiration, die von Tagträumen stammen. Tagträume haben nichts mit den Träumen im Schlaf gemeinsam. Du bist wach, dein Geist unkonzentriert und deine Gedanken wandern. Das kann öfter vorkommen, wenn du müde bist, obwohl es jederzeit am Tag passieren kann. Meditation kann dir dabei helfen, deine Gedanken schweifen und wieder zurückkehren zu lassen.

Schlaf.org
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