Antihistaminika

Antihistaminika sind insbesondere bei Allergikern bekannt, da sie allergische Reaktionen, die durch den körpereigenen Botenstoff Histamin ausgelöst werden, effektiv lindern können. H1-Antihistaminika der ersten Generation weisen jedoch als Nebenwirkung oft sedierende Eigenschaften auf, wodurch sie sich auch als Schlafmittel eignen können.

Histamin und seine Eigenschaften

Histamin ist ein natürlicher Botenstoff im menschlichen Körper, der in Mastzellen, Nervenzellen und Thrombozyten aus der Aminosäure Histidin gebildet wird und auf seinen Einsatz wartet. Dieser erfolgt als Reaktion auf bestimmte Reize, wie beispielsweise Nahrungsmittel, Medikamente, Entzündungsprozesse oder Verletzungen, die zur Freisetzung von Histamin führen können.

Abhängig vom Auslöser, übernimmt Histamin im Rahmen der Immunabwehr bestimmte Funktionen im Organismus. Durch eine Erweiterung der Blutgefäße, sinkt der Blutdruck. Die Durchlässigkeit (Permeabilität) der Gefäßwände wird größer. Vielen Menschen bekannt ist die eingangs beschriebene Wirkung von Histamin im Rahmen allergischer Reaktionen. Hautrötung, Juckreiz bis hin zu Durchfall und Asthmaanfällen, können Folge einer Überreaktion auf freigesetztes Histamin sein. Zudem reguliert das biogene Amin den Appetit, nimmt Einfluss auf das Gedächtnis und die Gefühle.

Wenig bekannt, dafür umso interessanter, ist der belegte Einfluss von Histamin auf den Schlaf-Wach-Rhythmus. Wenn der körpereigene Botenstoff entsprechend wirkt, welche Bedeutung haben dann Antihistaminika, speziell sogenannte H1-Antihistaminika der ersten Generation, als Schlafmittel?

Wie wirken Antihistaminika?

Antihistaminika sind Medikamente, die bei einer pathologisch bedingten Überproduktion, den körpereigenen Botenstoff Histamin in seiner Funktion behindern. Einfach erklärt, besetzen sie die "Parkplätze" an den Zellen, bevor Histamin eintrifft und seine Wirkung entfalten kann. Das lindert allergische Reaktionen spürbar.

Wird Histamin durch ein Signal freigesetzt, muss es von seinem Entstehungs- und Speicherort über das Blut zum Zielort gebracht werden. An der Oberfläche der Wirkzellen sitzen entsprechende Rezeptoren. Bekannt sind insgesamt vier, benannt als H1 bis H4. Nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip setzt der Botenstoff genau hier an und löst im Inneren der Zelle Immunreaktionen aus.

Antihistaminika besitzen die Fähigkeit, ebenfalls an die Rezeptoren anzudocken. Bei ihnen kommt es allerdings nicht zu einer Folgereaktion; sie besetzen lediglich die für das Histamin vorgesehene Stelle. Damit bleibt Histamin wirkungslos. Im Blut wird der Botenstoff nach und nach abgebaut. Antihistaminika passen exakt zum jeweiligen Histamin-Rezeptor. Daher unterscheidet man H1-, H2-, H3- und H4-Antihistaminika. Bei der Behandlung allergischer Erkrankungen sind ausschließlich H1-Antihistaminika von Bedeutung.

Wann werden Antihistaminika angewendet?

Die Anwendung von Antihistaminika ist vielfältig. Sie kommen insbesondere bei allen Erkrankungen zum Einsatz, die mit einer Freisetzung von Histamin einhergehen. An erster Stelle stehen Allergien, wie Heuschnupfen, aber auch allergische Reaktionen auf Insektenstiche, Tierhaare und/oder Hausstaubmilbenkot.

In der Notfallmedizin haben Antihistaminika eine besondere Bedeutung bei anaphylaktischen Reaktionen, also plötzlichen Allergien auf Unverträglichkeiten von Medikamenten. Der Arzt verwendet sie bei der Therapie der Nesselsucht, bei Schwellungen der Haut- und Schleimhaut (Angiödem) und bei der Neurodermitis.

Einige H1-Antihistaminika der ersten Generation, die früher zum Beispiel bei der Behandlung von Heuschnupfen angewendet wurden, kommen heute bei der Therapie von Schlafstörungen zum Einsatz. Grund ist ihre Fähigkeit, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren und damit einen sedierenden, also beruhigende Effekt, auszuüben.

Wie werden Antihistaminika angewendet?

Die Anwendung von Antihistaminika zur antiallergischen Behandlung erfolgt entweder lokal, zum Beispiel als Spray oder Salbe, oder oral, beispielsweise in Form in Tabletten. Bei der Auswahl des Mittels sind nicht nur die Erkrankung, sondern auch die jeweils enthaltenen Wirkstoffe entscheidend.

H1-Antihistaminika der ersten Generation, die sich als Schlafmittel eignen, gibt es als Tabletten, Trinktabletten oder Dragees.

Welche Antihistaminika gibt es?

Heute werden zwei Gruppen von Antihistaminika unterschieden:

- Antihistaminika der ersten Generation
- Antihistaminika der zweiten Generation

Antihistaminika der ersten Generation kamen und kommen vor allem als lokale Wirkstoffe bei Heuschnupfen oder Asthma sowie bei Hautreaktionen zum Einsatz. Sie besitzen eine besondere Nebenwirkung: Sie machen müde und beeinflussen den Schlaf-Wach-Rhythmus und die Aufmerksamkeit. Grund ist ihre Fähigkeit, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Das hat dazu geführt, dass Ärzte ihren Patienten empfehlen, H1-Antihistaminika der ersten Generation am besten abends vor dem Zubettgehen einzunehmen oder anzuwenden. So kann sich der beruhigende Effekt in der Nacht entfalten.

Antihistaminika der zweiten Generation gelten bei der oralen Therapie allergischer Reaktionen inzwischen als besser geeignet. Sie können die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden. Allerdings sind sedierende Nebenwirkungen ebenfalls nicht völlig auszuschließen. Als Schlafmittel kommen sie nicht zum Einsatz.

Welche H1-Antihistaminika gibt es und welche eignen sich als Schlafmittel?

Die Wissenschaft unterscheidet fünf Gruppen von H1-Antihistaminika der ersten Generation mit unterschiedlichen, pharmakologischen Wirkstoffen. Sie wurden oder werden primär in der Behandlung von Allergien eingesetzt. Eine ihrer Nebenwirkungen ist Müdigkeit. Doch nur wenige eignen sich als Schlafmittel. Einige sind frei verkäuflich, andere verschreibungspflichtig.

Wie gut die Wirkung von Antihistaminika als Schlafmittel ist, zeigt eine Untersuchung der Stiftung Warentest. Hier wurden Antihistaminika der ersten Generation mit anderen Wirkstoffen verglichen. Im Ergebnis waren die getesteten Antihistaminika in ihrer Wirkung am besten.

1. Ethylendiamine

Zur dieser Gruppe gehören Mepyramin (Pyrilamin), Tripelennamin (Pyribenzamin) und Antazolin.

Mepyramin (Pyrilamin) entfaltet seine antiallergische Wirkung als Gel, Creme oder Lösung bei Insektenstichen. Müde macht der Wirkstoff lediglich bei oraler Gabe im Rahmen der Therapie einer Erkältung oder von Menstruationsbeschwerden. Als Schlafmittel eignet sich Mepyramin nicht. Ähnlich bei Allergien auf Insektenstiche wirkt Tripelenamin, das unter dem Namen Azaron als äußerlich anzuwendender Stift im Handel ist.

Antazolin kommt als Augentropfen oder Nasenspray bei allergischen Reaktionen auf Pollen und Haustaubmilben zur Anwendung. Verschrieben wird es vor allem bei auftretender Bindehautentzündung. Aufgrund der lokalen Anwendung können sedierende Begleiterscheinungen, wie Müdigkeit, ausgeschlossen werden.

2. Ethanolamine

Zur dieser Gruppe gehören Diphenhydramin, Doxylamin, Carbinoxamin, Clemastin. Von diesen vier antiallergischen Wirkstoffen sind Diphenhydramin und Doxylamin als Schlafmittel zugelassen.

Die Einnahme von Diphenhydramin erfolgt als Tabletten. Erst über die Darmschleimhaut gelangt der Wirkstoff ins Blut. Das bedingt, dass die Wirkung erst nach frühestens einer halben bis einer Stunde einsetzt. Diphenhydramin hat sich als Arzneimittel zum Einschlafen und Durchschlafen bewährt. Allerdings sollte der Wirkstoff nur kurzzeitig eingenommen werden. Seine Bedeutung bei der Behandlung allergischer Reaktionen hat es hingegen verloren. Empfohlen wird eine Dosierung von maximal 50 mg pro Nacht. Auf die Einnahme einer zusätzlichen Tablette sollte verzichtet werden, denn das verlängert die Sedierung.

Beim Absetzen des Wirkstoffes ist es sinnvoll, langsam vorzugehen, das heißt, die Dosis schrittweise zu reduzieren. Bis ein gesunder Schlaf wieder ohne Wirkstoff möglich ist, dauert es einige Zeit. Vorsicht ist geboten bei bekanntem Asthma, Epilepsie und Erkrankungen der Prostata; auch in der Schwangerschaft und Stillzeit sollte auf die Einnahme von Diphenhydramin verzichtet werden.

Auch Doxylamin hat als Antihistaminikum eine starke, müde machende Wirkung. Im Vergleich zu anderen, rezeptpflichtigen Präparaten wirkt es jedoch schwächer. Der Wirkstoff sollte mindestens eine Stunde vor dem Schlafengehen eingenommen werden. Die empfohlene Dosierung liegt bei maximal 50 mg. Selbst bei unruhigem Schlaf oder nächtlichem Aufwachen dürfen Patienten keine weitere Tablette einnehmen. Der Abbau würde zu lang dauern, und die Müdigkeit würde sich in den folgenden Tag hinein fortsetzen.

Bei der Anwendung beachtet werden sollte das Risiko der raschen Gewöhnung. Bereits nach wenigen Tagen hat Doxylamin den Schlaf so stark verändert, dass die Dosis erhöht werden müsste. Damit nehmen auch die unerwünschten Nebenwirkungen zu. Als Schlafmittel sollte Doxylamin deshalb nur über einen begrenzten Zeitraum von maximal 14 Tagen eingenommen werden. Absetzen sollte man den Wirkstoff rechtzeitig und stufenweise, beispielsweise durch ein Teilen der Tablette in Halbe und Viertel.

Bei der Einnahme bestehen ähnliche Risiken, wie bei Diphenhydramin. Zudem kann es bei Herzproblemen zu ernsthaften, gesundheitlichen Komplikationen kommen. Daher ist es unbedingt empfehlenswert, vor der Einnahme mit dem Arzt zu sprechen.

3. Alkylamine

Zu dieser Gruppe gehören Pheniramin, Chlorphenamin (Chlorpheniramin), Dexchlorpheniramin, Brompheniramin, Triprolidin, Dimetinden und Bamipin. Sie werden vor allem zur Linderung von Juckreiz und Schleimhautschwelungen bei allergischen Reaktionen eingesetzt. Als Schlafmittel haben Alkylamine, trotz ihrer sedierenden Nebenwirkung, keine Bedeutung.

Pheniramin und Chlorphenamin sind häufig Bestandteil in Erkältungspräparaten. Dexchlorpheniramin, Brompheniramin, Triprolidin und Dimetinden kommen bei allergischem Schnupfen zum Einsatz. Sie alle wirken schleimhautabschwellend.

Ähnlich ist es bei Bamipin, das bei Insektenstichen Anwendung findet und Juckreiz, Rötung und Schwellungen lindert. Bamipin wird nach dem Auftragen, zum Beispiel als Gel, rasch über die Haut aufgenommen, und die Wirkung kann bis zu 24 Stunden anhalten.

4. Piperazine

Zu dieser Gruppe gehören Hydroxyzin, Meclozin und Cyclizin.

Hydroxizin wird, neben der antiallergischen Therapie, bei psycho-vegetativen Erkrankungen, beispielsweise Angst- und Panikstörungen, eingesetzt. Es gehört zu den ältesten Substanzen im Bereich der Antihistaminika. Hydroxizin wirkt beruhigend und Schlaf fördernd, deshalb wird es insbesondere zur Entspannung vor Operationen verabreicht. Als rezeptpflichtiges Schlafmittel ist es unter dem Namen Atarax im Handel. Die Einnahme sollte ärztlich kontrolliert erfolgen, da neben Alpträumen und Kopfschmerzen unter anderem auch Herzrhythmusstörungen und Krampfanfälle auftreten können.

Meclozin wurde lange Zeit als Wirkstoff gegen Erbrechen, vor allem während der Schwangerschaft, eingesetzt. Seit 2007 ist Meclozin als solches nicht mehr auf dem deutschen Markt, findet aber als Bestandteil von einigen wenigen verschreibungspflichtigen Schlafmitteln Anwendung.

Ähnlich, wie Meclozin gegen Erbrechen wirkt auch Cyclizin. Bedeutung als Schlafmittel hat es nicht.

5. Trizyklische Antihistaminika

Zu dieser Gruppe gehören Promethazin, Alimemazin (Trimeprazin), Cyproheptadin, Azatadin, Latrepirdin und Dixyrazin.

Wichtigste Anwendung findet Promethazin als Neuroleptikum bei der Behandlung psychischer Störungen. Es besitzt zudem antiallergische und schlaffördernde Eigenschaften. Die Einnahme sollte in jedem Fall ärztlich begleitet werden. Denn Promethazin besitzt, wie alle Antihistaminika, bei zu hoher oder falscher Dosierung ernstzunehmende Nebenwirkungen.

Der Wirkstoff Alimemazin (Trimeprazin) kommt bei allergischen Hautreaktionen zum Einsatz. Cyproheptadin wird als Antihistaminikum bei Nesselsucht und zum Anregen des Appetits genutzt. Dixyrazin wirkt gegen Erbrechen, Latrepirdin ist für den deutschen Markt nicht zugelassen.

Zusammenfassung

Als H1-Antihistaminika der ersten Generation eignen sich die folgenden vier Wirkstoffe als Schlafmittel:

  • Diphenhydramin
  • Doxylamin
  • Hydroxizin
  • Promethazin

Die Antihistaminika Diphenhydramin und Doxylamin sind als Wirkstoffe in frei verkäuflichen Arzneimitteln enthalten. Präparate mit den Wirkstoffen Hydroxizin und Promethazin sind rezeptpflichtig.

Grundsätzlich gilt: Schlafmittel sollten nur in ärztlicher Absprache und über eine kurze Dauer von maximal 14 Tagen eingenommen werden. Zu den Nebenwirkungen zählen ein sogenannter Hang-Over-Effekt, das heißt, die sedierende Wirkung hält über den gewünschten Zeitraum der Nacht hinaus an. Das führt zu Antriebslosigkeit und Konzentrationsschwäche. Weitere Nebenwirkungen sind anticholinerger Natur. Das bedeutet, die Einnahme kann zu Herzrasen, einem zu niedrigen Blutdruck, einem verstärkten Hungergefühl sowie trockenen Schleimhäuten führen.

Liste der käuflichen Medikamente mit den Wirkstoffen

Diphenhydramin:

  • Betadorm-D (Tabletten)
  • Halbmond (Tabletten)
  • Vivinox Sleep Schlafdragees
  • Vivinox Sleep Schlaftabletten stark

Doxylamin:

  • Gittalun (Trinktabletten)
  • Hoggar Night (Tabletten)
  • Schlafsterne (Tabletten)
Schlaf.org
Logo